Mittwoch, 22. Mai 2013

DON 5/1979 über Alexander Ziegler, Chefredakteur DU & ICH (1971-79)


Eine Bagatelle brachte alles ins Rollen. Ein einziges Wort in diesem Vorwort (DU & ICH, März 1979) machte mich stutzig. Alexander Ziegler berichtet hier über eine schwule Liebes-Tragödie - den Doppel-Selbstmord eines Schülers und seines Lehrers - geschehen angeblich Ende November 1978 "in der Nähe von Coburg" [rot angezeichnet].

" ... Um einer etwaigen Pressekampagne gegen die auf kirchliche Spenden angewiesene Erziehungsanstalt ... zu begegnen ... veröffentlichte [man] in der Lokalpresse den nachfolgenden Dreizeiler: "Nachdem er am Freitagvormittag in der Englischklausur eine schlechte Note erhalten hatte, die seine Promotion ernstlich in Frage stellte, nahm sich der 15jährige M.T. am selben Abend auf dem Anstaltsareal das Leben ... "

Promotion??? ist ein ungewöhnliches Wort im deutschen Schulbetrieb. Und noch viel weniger wird ein Lokalreporter damit eine Versetzung oder einen Schulabschluss beschreiben.

Fortsetzung unten, bei "Fall 2"


Fall 1:
12 Jahre vor Rosa von Praunheim wird Alexander Ziegler (erstmals) als Outing-Experte (Schwulen-Enthüller) tätig.

U.a. der SPIEGEL berichtet im Februar 1979 "Österreichs Außenminister Willibald Pahr wurde überfallen -- oder nicht?", der "biedere Familienvater Pahr" sei mitternächtens in Strassburg (in einer Gegend, wo sich Homosexuelle zu treffen pflegen) von Jugendlichen zusammengeschlagen und ausgeraubt worden. Die beiden Täter, ein 17- und ein 18jähriger werden verpfiffen und behaupten vor Gericht, der Aussenminister sei ihnen an die Wäsche gegangen.

Das ist der Zeitpunkt für Alexander Zieglers Auftritt:

" ... Ziegler spitzte seinen Griffel und schrieb einen Offenen Brief. Nicht etwa diskret und vertraulich, sondern öffentlich erinnerte er Willibald Pahr daran, dass der ihm im Vorjahr sein (angebliches) homosexuelles Prominentenleid gebeichtet, dass man gemeinsam über seelische Konflikte, Depressionen und Selbstmordabsichten geplaudert habe. Ziegler, der sonst seinen Lesern Vorsicht und Versteckspiel empfiehlt, fordert von Willibald Pahr öffentlich ... sich als Schwuler zu bekennen ... "

Abstreiten sei zwecklos, warnte der Schauspieler den Aussenminister, schliesslich habe Zieglers Freund als Zeuge mitgehört. Als Pahr sich mit einer Strafanzeige zur Wehr setzen wollte, keilte der DU & ICH Chefredakteur zurück: einem Reporter von BLICK (das ist die schweizerische BILD-Müll-Variante) erzählte er Einzelheiten des (angeblichen) vertraulichen Gesprächs mit Pahr, und tönte, er werde vor Gericht der Wahrheit zum Siege verhelfen.

Den menschenverachtenden BLICK-Artikel (oben auf DON-Seite 11, hier leider abgeschnitten) krönt ein ganz grosses Ziegler-Konterfei.

In Pahrs Wikipedia-Eintrag fehlt jeglicher Hinweis auf diese Affaire, wie auch zu seinem Privatleben.

5 Jahre später wird Ziegler zur nächsten "sensationellen Homo-Enthüllung" ausholen. Sein nächstes Outing-Opfer war der bundesrepublikanische Vier-Sterne-General Günter Kießling ...


Fall 2:
Der Journalist Alexander Ziegler erdichtet, schön detailreich, eine schwule Doppel-Selbstmord-Tragödie (siehe erste Abbildung in diesem Post) und führt zum "Beweis" der Wahrhaftigkeit seines Berichtes aus: "Wenn Sie mich deswegen der Lüge bezichtigen, so geht dies meines Erachtens sehr weit."

DU & ICH, März 1979, Seite 3: " ... Ende November des vergangenen Jahres wurden auf dem Dachstock eines evangelischen Landerziehungsheimes in der Nähe von Coburg der 15jährige Markus T. und der 32jährige Heimerzieher Erich U. tot aufgefunden. Die beiden hatten sich ... gemeinsam erhängt, weil man ihnen ... >auf die Schliche gekommen war<. Im Klartext: Der Lehrer und Erzieher U. unterhielt gleichgeschlechtliche Beziehungen zu seinem 15jährigen Schüler Markus T., was aus Tagebuchnotizen des Jungen eindeutig hervorging ... "




























Das Ergebnis mehrtägiger Recherchen der DON-Redaktion bei Polizeidirektionen und Lokalblattredaktionen im Regierungsbezirk Oberfranken lautet:
   * Im Stadt- und Landkreis Coburg existiert kein evangelisches Landeserziehungsheim.
   * Ein Vorfall, wie geschildert, ist Polizei und Presse unbekannt.
   * In der Lokalpresse ist die von Ziegler zitierte Nachricht nicht erschienen.
   * Polizei und Journalisten bezeichnen Zieglers Coburg-Geschichte als 'Ente'.

Interessierten stelle ich auf Wunsch die Abbildungen (nur!) dieses Blog-Eintrags in hoher Auflösung -  also optimaler Lesequalität - zur Verfügung.

Nach eigenen erfolglosen Recherchen des zuständigen Redakteurs Fritz vom 'Coburger Tageblatt' ruft dieser Alexander Ziegler an. Der behauptet, den Fall nicht überprüft und die Fakten nicht selbst ermittelt zu haben. Er verspricht seinen 'Informanten' zu befragen und Herrn Fritz zurückzurufen.

Alexander Ziegler hat den Coburger Redakteur nie zurückgerufen.
Anstelledessen erscheint in der Juni-Ausgabe von DU & ICH dieser Brief:


" ... Nachdem Sie in Ihrer Aprilausgabe unter der reisserischen (und zweifelsohne auflagefördernden) Überschrift ... erneut einige als 'Enthüllungen' deklarierte Verleumdungen über mich veröffentlichen, fühle ich mich ... gezwungen, eine öffentliche Stellungnahme abzugeben ... "


Auch andere fühlten sich aufgerufen, Stellung zu nehmen, u.a. meine beiden "Freunde" Johannes Werres und sein Lebenspartner Heinz F. Liehr, die die Gelegenheit nutzen, sich an Ziegler (wieder) ranzuschmeissen:

"Lieber Alexander Ziegler! Ich hätte allen Grund, Dir wegen mancherlei böse zu sein und Dir manches nachzutragen; ich hätte also Grund zur Schadenfreude. Aber ich tue nichts dergleichen. Das geht zu weit! Ich lasse es nicht zu, dass man Dich so fertigmacht. Wie schäbig! Der Stil solchen Elaborats ist mir ja schon bekannt. Mich hat man ja vor Monaten auch so fertig gemacht. Johannes Werres, Kronberg"

"Lieber Alexander Ziegler! Ich habe heute mit dem DON-Verleger Ferling telefoniert. Er war sehr geknickt und meinte, er hätte mit Reimer stundenlang diskutiert, und er fände es unfair **. Das war auf meine Vorhalte, wie sich DON über A.Z. ergiesse. Wir sehen es so, dass es eine ganz üble Geschäftemacherei von DON ist, um DU & ICH möglichst viele Abonnenten abzujagen. Hier wird genau das getan, was wir den Homos persönlich ankreiden: dreckige Wäsche, die niemand etwas angeht, über die noch gar niemand zu Gericht gesessen, wird in übelster Bla-Bla-Form einer nicht iwssen wollenden gesellschaft (auch Hetero- und Bi-) zugetragen. Meine ganz persönliche Meinung, zu der ich auch stehe - so oder so warst du fair, aber bei DON hört die Fairness auf. Nachdem man Dich im Hauptteil madig gemacht hat, (nurleider kein Tachless) bringt man trotzdem am Ende des DON-Blattes eine Achtelseite Anzeige für DU & ICH. Ja, um Gottes willen, für wie besoffen hält man denn heute noch lebende Mitmenschen? Heinz F. Liehr alias Rico di Positano, Kronberg"

** Allerdings hatte der Verleger Henry Ferling immer und grundsätzlich das letzte Wort, ob, was und in welcher Form etwas in DON erscheinen darf. Niemals hätte ich eine solche Geschichte ohne seine ausdrückliche Billigung ins Blatt bringen können. Tatsächlich hatte Ferling dem Liehr am Telefon erklärt, er halte Zieglers Verhalten in der Pahr-Affaire für unglaublich und unentschuldbar, und dass er - Ferling selbst - Reimer aufgefordert habe die Sache mit allem Nachdruck zu verfolgen. Das wird in DON 8/1979 noch einmal aufgegriffen.

Im gleichen Jahr - 1979 - endet Zieglers Chefreadakteurs-Laufbahn bei DU & ICH.

Für Ziegler-Fans - der ungeliebte Wunderknabe Alexander Ziegler:
Nachruf: Im gay journal des Gerd Talis (= Gerhard Friede) stimmt Joachim S. Hohmann (der Link führt zu DON 3/1977) eine zu Tränen rührende Lobeshymne auf Alexander Ziegler (1944-1987) an.

Promi-Darsteller Alexander Ziegler, 'unglaubwürdiger Aufschneider', mit Corvette im STERN 6/1984